Sozialplan – Ausschluss für den Fall einer Kündigungsanfechtung zulässig
Im Zuge von Sozialplanverhandlungen ist in der Praxis häufig der Anwendungsbereich bzw. aus Dienstgebersicht insbesondere die Beschränkung des Anwendungsbereichs des Sozialplans ein wesentlicher Verhandlungspunkt. In einer aktuellen Entscheidung hielt der OGH nunmehr erstmals fest, dass die Sozialplanleistung einer freiwilligen Abfertigung vom Unterlassen einer Kündigungsanfechtungsklage abhängig gemacht werden kann.
§ 109 Abs 3 ArbVG sieht in Betrieben, mit dauernd mindestens 20 Dienstnehmern in denen ein Betriebsrat besteht, vor, dass vom Betriebsrat bei Vorliegen einer Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs 1 Z 1 bis Z 6 ArbVG, die wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft mit sich bringen (wie zB ein größerer Personalabbau), ein Sozialplan eingefordert und schlussendlich über eine Schlichtungsstelle erzwungen werden kann. Ein Sozialplan ist dabei als Betriebsvereinbarung (§ 97 Abs 1 Z 4 ArbVG) abzuschließen. Zweck eines Sozialplans ist, dass die negativen Folgen der Betriebsänderung für die betroffenen Dienstnehmer gemildert werden sollen.
In der Praxis werden im Zuge von Sozialplanverhandlungen bei Personalabbaumaßnahmen häufig freiwillige Abfertigungszahlungen als Sozialplanleistungen zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Nach herrschender Rechtsprechung können derartige Sozialplanleistungen an die von der Betriebsänderung betroffenen Dienstnehmer zulässigerweise davon abhängig gemacht werden, dass es zu einer einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses kommt.
Der OGH hatte sich nunmehr in einem aktuellen Verfahren (OGH vom 29.04.2021, 9 ObA 9/21w) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Sozialplanleistungen auch davon abhängig gemacht werden dürfen, dass der jeweilige Dienstnehmer oder der Betriebsrat nicht eine etwaige Kündigung des Dienstverhältnisses bei Gericht anficht. Im konkreten Sozialplan wurde festgelegt, dass dieser auf Dienstnehmer Anwendung findet, wenn deren Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst oder vom Dienstgeber aufgekündigt wird. Im zweiteren Fall, wurde der Geltungsbereich jedoch dahingehend weiter eingeschränkt, dass der Sozialplan nur Anwendung findet, wenn die Kündigung nicht durch den Betriebsrat oder den Dienstnehmer gemäß § 105 ArbVG angefochten wird.
In der Folge konnte mit einem betroffenen Dienstnehmer keine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses erzielt werden. Der Dienstgeber kündigte daher das Dienstverhältnis. Der Dienstnehmer nahm die Kündigung nicht hin, brachte in der Folge unter anderem eine Kündigungsanfechtungsklage gemäß § 105 ArbVG ein und begehrte in der Folge die freiwillige Abfertigung gemäß Sozialplan.
In seiner Entscheidung hielt der OGH nunmehr fest, dass die konkret vereinbarte Bedingung des Unterlassens der Anfechtung einer Kündigung bei Gericht durch den Dienstnehmer oder den Betriebsrat zulässig sei.
Diese Bedingung sei, ähnlich wie die zulässige Einschränkung von Sozialplanleistungen auf einvernehmliche Beendigungen, geeignet für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen und den Rechtsfrieden zu wahren. Im Ergebnis wird dadurch verhindert, dass der Dienstgeber einerseits Sozialplanleistungen zu erbringen hat, aber dennoch dem Risiko von Kündigungsanfechtungen ausgesetzt wird.
Durch diese Bedingung hat der Betriebsrat auch nicht auf die ihm zustehenden Mitwirkungsrechte bzw. Anfechtungsrechte vorab verzichtet bzw diese unzulässig eingeschränkt. Der Dienstnehmer kann bei der konkreten Gestaltung zunächst wählen, ob er einer ihm vom Arbeitgeber angebotenen einvernehmlichen Auflösung zustimmt, oder ob er eine allfällige Dienstgeberkündigung hinnimmt. Sofern er die Kündigung nicht hinnehmen möchte, steht ihm eine Kündigungsanfechtung offen. Dringt der Dienstnehmer in der Folge mit seiner Kündigungsanfechtungsklage durch, ist das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht und es stellt sich die Frage einer Sozialplanleistung nicht. Wird die Klage abgewiesen, bleibt es bei der Kündigung und dem Ende des Dienstverhältnisses ohne Sozialplanleistung.
Für die Praxis bedeutet die Bestätigung der Zulässigkeit einer derartigen Bedingung einen erweiterten Gestaltungsspielraum im Zuge der Sozialplanverhandlungen und kann insbesondere für den Fall, dass Betriebsräte auf Sozialplanleistungen auch für gekündigte Dienstnehmer bestehen, ein sinnvoller Mechanismus sein, um Dienstnehmer von Anfechtungsklagen abzuhalten und dadurch, wie auch vom OGH bestätigt, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden für alle Beteiligten zu schaffen.
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